Extremismus-Expertin Claudia Dantschke "Alles an Salafismus ist in Bonn vertreten"

BONN · "Bonn ist eine Salafisten-Hochburg" und "Alles an Salafismus ist in Bonn vertreten" - sprich alle Gruppen der ultrakonservativen Muslime von introvertiert über aggressiv missionarisch bis hin zu militant. Das sind zwei der Kernaussagen von Claudia Dantschke, die sie am Montagabend im voll besetzten Ratssaal machte. Die Berliner Extremismus-Expertin Claudia Dantschke über das Phänomen einer Jugendkultur.

Dass die Mitarbeiterin der Berliner Gesellschaft Demokratische Kultur niemandem nach dem Mund redet, wurde den Zuhörern bei dem Vortrag der Volkshochschulreihe "Salafismus in Bonn" schnell klar. Pointiert sprach die Expertin über Salafismus im Allgemeinen, aufgrund der knapp bemessenen Zeit kam die Bonner Situation dabei am Ende aus Sicht manchen Zuhörers zu kurz.

Dennoch erlaubte sich Dantschke eine kurze, heftige Kritik am Rat der Muslime und der Ratsgruppe BIG ("Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit"), denen sie indirekt eine Mitschuld am Ausufern des Salafismus in Bonn gab: Ignorant sei der Muslimrat angesichts der Tatsache, dass Bonn eine Salafisten-Hochburg sei. "Es wäre schön, wenn es eine muslimische Antwort gäbe" auf das Problem, das vor allem junge Männer aller Gesellschaftsschichten betrifft.

Zudem vermisst die Berlinerin beim Rat der Muslime die Aufarbeitung des 5. Mai, als sich in Lannesdorf junge gewalttätige Salafisten Straßenschlachten mit der Polizei lieferten. Vertreter des Rats der Muslime waren im Mai selbst dabei und versuchten nach eigenen Angaben, die Eskalationen zu verhindern. Überhaupt wiesen die Gescholtenen Dantschkes Kritik vehement zurück. Haluk Yildiz, Gründer sowohl des Muslimrats als auch von BIG, erwiderte, seine Gremien hätten sich immer gegen Gewalt ausgesprochen.

[kein Linktext vorhanden]Doch es ist nicht allein die Gewalt, die der städtischen Integrationsbeauftragten Coletta Manemann "sehr große Sorgen" macht, wie sie am Montag sagte. Sie sieht genauso wie Dantschke eine Jugendkultur sich ausbreiten, die antidemokratische Wertvorstellung vertrete und auslebe. Beliebtes Mittel der salafistischen Missionare à la Abu Maleeq und Pierre Vogel ist, die Hölle zu predigen.

Ein Trickfilm des in Bonn wohnhaften Vogel, den Dantschke vorspielte, machte beispielhaft deutlich, mit welcher "Angstpädagogik" die politisch-missionarischen Salafisten vorgehen, um orientierungssuchende Jugendliche auf Linie zu bringen.

Doch Angst vor der Hölle mache sich "auch schon bei kleinen Kindern bemerkbar", ergänzte später eine Psychologin aus dem Publikum. Gerade in Bad Godesberg, wo viele Einwanderer aus arabischen Staaten leben, stelle sie dies fest. Deswegen müsse man die Eltern mit ins Boot holen.

Nur gesamtgesellschaftlich könne das Salafismus-Problem gelöst werden, bestätigte Claudia Dantschke. "Auch BIG und der Rat der Muslime sind Teil dieser Lösung. Die muslimischen Verbände müssen dabei sein."

Die Anhänger des "reinen Islams":
Der Verfassungsschutz spricht von Salafisten, in Anspielung auf deren extremistische Haltung. Claudia Dantschke von der Berliner Gesellschaft Demokratische Kultur verwendet den ursprünglichen Begriff Salafiten. Die so Bezeichneten selbst vermeiden laut Dantschke diesen Begriff zunehmend, weil er mittlerweile stark negativ belegt ist.

Die Arabistin teilt die Salafisten in vier Gruppen ein:

  • die puristischen Salafisten, die introvertiert die Religion für sich leben,
  • die größte Gruppe, die der politisch-missionarischen, die aber Gewalt ablehnen,
  • die politisch-missionarischen, die Gewalt befürworten,
  • die gewaltbereiten Salafisten, Dschihadisten genannt.

Die letzten drei Gruppen umfassen nach Ansicht des Verfassungsschutzes 4000 bis 5000 (überwiegend) Männer, speziell die Zahl der Dschihadisten beläuft sich auf 200. Gemeinsam ist allen Gruppen, dass sie Allah als den Souverän in allen öffentlichen und privaten Bereichen ansehen.

Von daher lehnen sie Demokratie und Pluralismus strikt ab. Eine zeitgemäße Auslegung des Korans gilt ihnen als Frevel am Wort Gottes, stattdessen beziehen sie sich auf die Lehre der Altvorderen (arabisch "salaf"). Demnach wollen sie zurück zum vermeintlich "reinen Islams" des 7. und 8. Jahrhunderts. Da sich gerade die missionarischen Salafisten für die Hüter der wahren Religion halten, bezeichnen sie auch gemäßigte Muslime als "Ungläubige" ("kuffar").

Attraktiv für orientierungssuchende Jugendliche können sie sein, weil sie ein klares Welt- und Wertebild vermitteln und eine Gemeinschaft bieten.

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