Flashmob in Bonn 150 Klinikmitarbeiter forderten Geld für mehr Stellen

BONN · Unbezahlte Überstunden, hohe Arbeitsbelastung, kaum gesellschaftliche Anerkennung - das sind nur einige der Probleme, auf die Pflegedienstmitarbeiter aus Bonner Kliniken am Wochenende auf dem Münsterplatz im Rahmen einer bundesweiten "Pflege am Boden"-Aktion aufmerksam gemacht haben.

 Als die Sirene losheulte, legten sich die Demonstranten minutenlang auf den kalten Erdboden.

Als die Sirene losheulte, legten sich die Demonstranten minutenlang auf den kalten Erdboden.

Foto: Barbara Frommann

Fünf vor zwölf am Samstag hallt eine Sirene über den Platz, Sekunden später liegen rund 150 Menschen am Boden. Ein Großteil schützt sich durch Decken, einige harren auch ohne Unterlage auf dem nass-kalten Boden aus. "Pflege macht krank" oder "Ich will mehr Zeit für Patienten haben" steht auf Zetteln, die sie in die Luft halten. Viele Passanten bleiben stehen, machen Fotos von der am Boden liegenden Menschenmenge.

"Ich habe von vielen Leuten hier die Rückmeldung bekommen: 'Gut, dass Sie das machen'", berichtet Doris Chrysant, die als Pflegerin in der LVR-Klinik arbeitet und vor der Beethoven-Statue auf einer Isomatte liegt. Auf der anderen Seite des Platzes hat Julia Peta Quartier bezogen, um "auf unsere Situation hinzuweisen". Was die Pflegerin am Gemeinschaftskrankenhaus meint: "Wir haben keine Zeit mehr, um uns vernünftig um unsere Patienten zu kümmern. Die Belastung ist zu hoch."

Ziel der Kritik sind an diesem Samstag weniger die Klinikleitungen, als vielmehr die Politiker. "Die sind dafür verantwortlich, die benötigten Leistungen zu sichern und den Arbeitgebern die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen", erklärt Maximilian Kiereck, Mitinitiator des Bonner Pflege-Flashmobs. Ziel sei "eine gesetzliche Personalbemessung, die sich nicht an wirtschaftlichen, sondern an gesundheitlichen Interessen ausrichtet".

[kein Linktext vorhanden]Aktuell sorge der finanzielle Druck in vielen Häusern dafür, dass das Verhältnis zwischen Pflegekraft und Patient bei 1 zu 30 liege. "Der Patient ist nur noch eine Nummer", sagt eine Pflegerin aus einer Privatklinik, die anonym bleiben möchte.

Unterstützung erhalten viele Demonstranten von den eigenen Vorgesetzten: Es sei richtig, öffentlich über die Situation aufzuklären, sagt der Pflegedirektor am Universitätsklinikum, Alexander Pröbstl. "Solch ein Flashmob kann helfen, die Diskussion voranzubringen." Sein Amtskollege an der LVR-Klinik, Heinz Lepper, läßt aus seinem Urlaub solidarisch wissen: "An dieser Aktion teilzunehmen, ist richtig. Die permanente Überbelastung ist für die Beschäftigten schwer zu bewältigen."

Dabei beteuern beide, dass die Häuser "alle zur Verfügung stehenden Pflegestellen besetzt haben". 550 sind es in der LVR-Klinik, im Universitätsklinikum 1420. Dennoch: "Wenn Sie abends unsere Pflegeleitung fragen, wie der Tag war, würde die seufzen und antworten: 'Wir haben es heute wieder geschafft'", erzählt Pröbstl. Für NRW rechnet man aktuell mit bis zu 30.000 fehlenden Stellen. "Wir hatten vor einiger Zeit viel Personal, das aus Spanien kam. Von denen sind nur wenige geblieben, weil ihnen die Belastung zu hoch war", berichtet Lepper von Erfahrungen der LVR-Klinik.

"Ich halte es für dringend erforderlich, dass sich Pflegefachkräfte in einer Pflegekammer organisieren und die Selbstverwaltung und die Qualitätsanforderung an den Beruf in die Hand nehmen", fordert Pflegedirektor Pröbstl einen Zusammenschluss nach Vorbild des Marburger Ärztebunds.

Eine gemeinsame Stimme könne helfen, politische Ziele schneller zu erreichen, so Pröbstl und erhält dafür Unterstützung vom LVR-Kollegen: "Man hat manchmal den Eindruck, alle dürfen sich zur Pflege äußern, nur die Pflege selbst nicht. Das müssen wir ändern."

Der Flashmob im YouTube-Kanal des GA:

Bachelorstudiengang "Pflege"

Um die Attraktivität des Berufs zu steigern, fordern die Beteiligten nicht nur Geld für mehr Stellen, sondern auch mehr Ausbildungsmöglichkeiten. So soll dem zunehmenden Drang vieler Schulabgänger nach einer akademischen Ausbildung nachgekommen werden. Bislang bieten sieben meist kirchlich getragene Hochschulen in NRW ein duales Pflegestudium an. "Zu wenig, um die Pflege weiterzuentwickeln", sagt Alexander Pröbstl, Pflegedirektor am Universitätsklinikum und bezieht sich auf einen Bericht des deutschen Wissenschaftsrats aus dem Jahr 2012.

Dieser fordert, dass künftig bis zu 20 Prozent des ausgebildeten Pflegepersonals auch einen Bachelor-Abschluss vorweisen. Dafür müssten neue Studienplätze an staatlichen Hochschulen und Universitäten eingerichtet werden. Solch eine duale Ausbildung dauert vier Jahre bzw. acht Uni-Semester.

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