Per Flieger nach Botsuana Rettungsaktion für Afrikas Nashörner

Hluhluwe · In Afrika läuft eine Nashorn-Umsiedlung: Mindestens 100 der Dickhäuter sollen von Südafrika nach Botsuana gebracht werden. So will man die von Wilderei bedrohten Tiere vor dem Aussterben retten.

 Eine Gruppe von Tierschützern zieht im Phinda Naturschutzreservat (Südafrika) ein tonnenschweres Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum) mit einem Seil in Richtung eines Transportfahrzeugs.

Eine Gruppe von Tierschützern zieht im Phinda Naturschutzreservat (Südafrika) ein tonnenschweres Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum) mit einem Seil in Richtung eines Transportfahrzeugs.

Foto: dpa

Ein Hubschrauber fliegt tief über der Steppe des Phinda-Naturreservats in Südafrika. Drei grasende Breitmaulnashörner laufen verschreckt durchs Gebüsch. Tierarzt Trevor Viljoen lehnt sich aus dem Fenster, zielt und drückt den Abzug. Im Bruchteil einer Sekunde steckt ein Betäubungspfeil in der Hinterbacke eines Bullen. Das Tier läuft noch etwas, bleibt dann stehen. Jetzt heißt es schnell handeln. Dem Nashorn werden die Augen verbunden. Bevor das Betäubungsmittel ganz wirkt, zieht eine Gruppe von Wildfängern, Zoologen und Ärzten das tonnenschwere Tier mit einem Seil an einen Transportlaster heran. Kurz danach sinkt der Bulle auf die Knie.

Das Rhinozeros ist eines von 100 Tieren, die als Teil der Aktion „Rhinos without Borders“ (deutsch: Nashörner ohne Grenzen) von Südafrika nach Botsuana umgesiedelt werden sollen, um die Art vor dem Aussterben zu retten. Grund dafür ist die Wilderei in Südafrika, wo es die größte Population der gefährdeten Art gibt.

Wilderer haben nach Angaben des Umweltministeriums in Südafrika vergangenes Jahr 1054 Nashörner getötet. „Das sind fast drei pro Tag“, sagt „Rhinos without Borders“-Projektleiter Les Carlisle. „Wir haben den Punkt erreicht, an dem mehr Nashörner illegal getötet als neu geboren werden."

Das Horn ist vor allem in Asien gefragt, wo ihm aphrodisierende und heilende Kräfte zugeschrieben werden. Auf dem Schwarzmarkt zahlen Kunden Berichten zufolge etwa 60.000 Euro pro Kilogramm. Der Handel mit Horn, das aus Keratin besteht, dem gleichen Material wie menschliche Fingernägel, ist auf internationaler Ebene verboten.

In Afrika gibt es schätzungsweise noch bis zu 25.000 Nashörner. Die genaue Zahl halten Behörden geheim - aus Angst, Kriminellen ungewollt Informationen zuzuspielen.

Der Traumberuf des Wildhüters sei in Südafrika zum Alptraum geworden, sagt Carlisle. Wilderer seien mit Schnellfeuerwaffen, militärischer Ausbildung und Nachtsichtgeräten ausgestattet. Die Jagd auf das Horn müsse man sich wie „einen kleinen Bürgerkrieg“ vorstellen, so Carlisle, bei dem Ranger jede Nacht ihr Leben aufs Spiel setzten, um die Nashörner zu beschützen.

In Botsuana sei das Wildereiproblem dagegen gering, erklärt Map Ives, der offizielle Nashorn-Koordinator Botsuanas, der die südafrikanischen Rhinozerosse im Okavango-Delta in Empfang nimmt. Botsuana, ungefähr so groß wie Kroatien, besteht zu etwa 70 Prozent aus Nationalparks und hat nur rund zwei Millionen Einwohner. Dazu stelle die Regierung viele Gelder und auch seine Armee zur Verfügung, um Wilderei niedrig zu halten, so Ives.

Die 100 Nashörner sollen einen neuen Brutbestand in Botsuana schaffen - eine genetische Absicherung gegen das Aussterben der Art, so Carlisle. Bereits 25 Tiere wurden in den vergangenen Monaten umgesiedelt. Diese Woche kamen zwölf weitere dazu.

Sanft schnaufend liegt das betäubte Nashorn auf der Erde. Seine pelzigen Ohren zucken. In ihnen stecken aus Stoffresten zusammengeflickte Ohrenstöpsel, um das empfindliche Gehör des Tieres zu schützen. Das Tier wird gewogen, vermessen und gekennzeichnet. Ein Wildfänger bohrt ein Loch in das imposante Horn, um einen batteriebetriebenen Sender einzusetzen. So können die Bewegungen des Tieres in Botsuana verfolgt werden.

Jeder Handgriff der Tierschützer sitzt. Nach nur etwa 20 Minuten spritzt der Veterinär ein Gegenmittel ins Ohr. Carlisle legt noch einmal seine Hand auf den Kopf des Nashorns und murmelt „Danke“. Sekunden später wacht das Tier auf, stellt sich auf die Beine und trabt zu seinen Kumpanen im Gehege. Dort muss es vier Wochen in Quarantäne verbringen, bevor es das Land verlassen darf.

Rund 15 Stunden werden die zwölf Nashörner in Lastwagen und Flugzeugen transportiert, bis sie das Okavango-Delta erreichen. Das sei stressvoll für die wilden Tiere, sagt Grant Tracy, ein südafrikanischer Tierfänger, der bereits mit 16 Jahren sein erstes Nashorn einfing. Es sei aber ein fairer Preis, den ein einzelnes Tier für die Rettung der Art zahle. „Wir halten die Belastung so niedrig wie möglich“, versichert der Wildfänger.

„Rhinos without Borders“ betrachtet die Umsiedlung der etwa 100 Nashörner als ersten Schritt zur Rettung der Art. Sobald es eine ausreichende Zahl der Tiere in Botsuana gebe, wolle man auch neue Brutbestände in anderen Ländern der Region schaffen, erklärt Ives.

Es ist nicht das erste Mal, dass Tierschützer Nashörner auf diese Weise vor dem Aussterben retten wollen. Anfang des 20. Jahrhunderts habe es nur noch rund 50 Nashörner in Afrika gegeben, erzählt Carlisle. Dann habe man den Tierbestand durch systematische Umsiedlung über die nächsten fünf Jahrzehnte auf rund 20 000 Nashörner gesteigert. Carlisle ist optimistisch: „Genauso wollen wir das wieder machen“.

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