Immobilien Wenn die Wohnraumberechnung nicht stimmt

BONN · Auf die Methode kommt es an: Experten aus der Region erklären, warum falsche Quadratmeterangaben beim Verkauf oder bei der Vermietung von Immobilien Schadenersatzansprüche zur Folge haben können. Abweichungen gibt es häufig bei Altbauten.

 Welches Maß ist richtig? Loggien, Dachgärten und Terrassen fließen nicht zu 100 Prozent in die Wohnfläche ein. Und auch Dachschrägen haben ihre Tücken.

Welches Maß ist richtig? Loggien, Dachgärten und Terrassen fließen nicht zu 100 Prozent in die Wohnfläche ein. Und auch Dachschrägen haben ihre Tücken.

Foto: dpa

Ein Haus, das zwanzig Quadratmeter Wohnfläche weniger hat als es laut Verkaufsexposé haben sollte. Eine Dachwohnung, deren niedrige Dachschrägen entgegen geltender Vorschriften ungeschmälert in die Berechnung des Wohnraums einfließen.

Fälle wie diese kennt der Bad Godesberger Immobilienmakler Jan-Peter Sattler-Riegel zur Genüge: „Wir haben bei jedem Objekt damit zu tun. Die Verkäufer oder Mieter nennen uns Zahlen, die wir stets nachprüfen müssen.“

Aus Sicht seines Kollegen Franz Lanzendörfer aus Bad Godesberg wird häufig darüber gestritten, „wie mit der Anrechnung der Grundfläche eines Balkons oder einer Terrasse zu verfahren ist. Grundflächen von Balkonen, Loggien, Dachgärten und Terrassen gehen in der Regel zu einem Viertel, höchstens jedoch zur Hälfte in die Wohnfläche ein.“

Diese Feinheiten zeigen Lanzendörfer jedoch: „Oftmals sind Laien mit dem Thema Berechnung der Wohnfläche überfordert.“ Aus seiner Sicht ist diese Situation umso alarmierender, als sich „ein Großteil der Eigentümer der Tragweite und Konsequenzen falscher Angaben nicht bewusst ist beziehungsweise schlichtweg detaillierte Kenntnisse zu dieser Thematik fehlen“.

Ähnliches sagt auch Sattler-Riegel: „Privatverkäufern ist nicht bewusst, dass Sie im Verkaufsfalle für Ihre Angaben mit ihrem gesamten Privatvermögen haften.“ Welche gravierenden Folgen eine falsche Wohnraumberechnung haben kann, erklären Rechtsexperten.

Dass die Wahrnehmung der beiden Makler aus Bad Godesberg nicht täuscht, bestätigt Rechtsanwalt Michael Peter aus Bad Honnef. Peter ist Fachanwalt für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht sowie Leiter der Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien des Bonner Anwaltvereins, und er sagt: „Die Problematik, dass von den Parteien in Immobilienkaufverträgen oder Mietverträgen zugrunde gelegte Wohnflächen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, sondern zu hoch angesetzt sind, ist in der anwaltlichen Praxis ein überraschend weit verbreitetes Phänomen.“

So sei der Deutsche Mieterbund in einer Schätzung davon ausgegangen, dass zwei von drei Wohnraummietverträgen unzutreffende Wohnungsgrößen aufweisen. „Zudem stellen nach der Rechtsprechung selbst mündliche Auskünfte oder mit dem Vermerk 'cirka' versehene Flächenabgaben im Mietrecht vertraglich bindende Vereinbarungen dar“, erklärt Jurist Peter.

Vorsichtiger formuliert es der Bonner Rechtsanwalt Hans-Ulrich Niepmann, der Verbandsjurist des Immobilienverbandes (IVD) West ist: „Unzutreffende Größenangaben zu Immobilien kommen in der Praxis gelegentlich vor“, so Niepmann: „In den weitaus meisten Fällen geht es dabei um sehr geringe Abweichungen.“

Das völlig falsche Angaben gemacht würden, die Differenz also beispielsweise höher als zehn Prozent liege, „ist sicher die absolute Ausnahme, die rein statistisch keine Bedeutung hat“, sagt der Verbandsjurist.

Gleichwohl sind die Folgen, wenn Wohnraumberechnungen im größeren Stil falsch sind, oft gravierend: „Im Kaufrecht können Flächenabweichungen von mehr als zehn Prozent zu weitreichenden Schadensersatzansprüchen führen, die nicht nur die prozentuale Minderung des Kaufpreises, sondern auch die Erstattung anteiliger Grunderwerbssteuer, Finanzierungs-, Notar- und Maklerkosten zum Gegenstand haben (BGH Urt. v. 11.07.1997 V ZR 246/96)“, erklärt Fachanwalt Michael Peter.

Dabei reichten mitunter bereits fehlerhafte Angaben in Verkaufsprospekten oder Anzeigen aus, „diese Ansprüche des Käufers zu begründen“.

Bei Mietverhältnissen sei der Bundesgerichtshof (z.B. BGH, Urt. v. 23.05.2007, VIII ZR 138/06) bislang davon ausgegangen, „dass nur Abweichungen von mehr als zehn Prozent einen Mangel der Mietsache darstellen“, führt Rechtsanwalt Peter aus.

Das habe dann zur Folge, dass der Mieter die Miete rückwirkend und für die Zukunft prozentual mindern kann.

Das Minderungsrecht erstrecke sich auch auf die Betriebskosten, soweit diese flächenbezogen abgerechnet würden. Derweil hat der Bundesgerichtshof nach Aussage von Peter seine Rechtsprechung verschärft: „Die Richter haben entschieden, dass im Falle der Mieterhöhung auch bei Flächenabweichungen von weniger als zehn Prozent die Mieterhöhung ausschließlich an die tatsächliche Wohnfläche anknüpfen muss (BGH, Urt. v. 18.11.2015 VIII ZR 266/14).

Wie es zu falschen Angaben kommt, erklärt der Makler so: „Wir erleben immer wieder, dass die Kunden sagen, ich habe die Immobilie mit der Fläche X gekauft und diese Angabe nicht nachgeprüft.“ Insofern handele es sich gerade bei Verkäufen von privat „fast immer um Gutgläubigkeit oder Unwissenheit“.

Mitunter resultieren unterschiedliche Angaben „aus den verschiedenen Berechnungsmethoden“, gibt Makler Franz Lanzendörfer zu bedenken: „Die älteren Berechnungsmethoden, wie die zweite Berechnungsverordnung (2.BV) oder DIN 283, führen zu unterschiedlichen Ergebnissen.“ Heutzutage werde laut Lanzendörfer von Gerichten „in der Regel auf die Wohnflächenverordnung (WoFIV) verwiesen, die am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist“.

„Hauptursache für falsche Flächenangaben ist eindeutig die Unwissenheit im Umgang mit den Berechnungsvorschriften, die dabei zu beachten sind“, sagt auch Verbandsjurist Hans-Ulrich Niepmann: „Die Schwierigkeit beginnt dort schon bei der Auswahl der einschlägigen Berechnungsmethode aus den unterschiedlichen Varianten, die sich in Gesetzen und Normen finden.“

Für Fachanwalt Peter rühren Fehler besonders daher, „dass sich Verkäufer und Vermieter auf alte Baupläne beziehen, die nicht die Wohnfläche, sondern die Grundflächen der Immobilie ausweisen“. Dadurch würden etwa Nebenräume und Dachschrägen voll als „Wohnfläche“ berücksichtigt. Vor allem bei Altbauten oder älteren Immobilien ist die Problematik daher besonders häufig anzutreffen.

Um falsche Wohnraumangaben bei einem privaten Verkauf zu vermeiden, rät Jan-Peter Sattler-Riegel, „unbedingt vorher die Bauakte beim Bauordnungsamt der Stadt zu prüfen“. Bei unterschiedlichen Angaben solle der Verkäufer dann einen Architekten hinzuziehen. Vor allem dann, „wenn Um- beziehungsweise Ausbauten erfolgt sind“.

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