Unkrautvernichter im Bier Brauer halten Studie zu Glyphosat für nicht glaubwürdig

MÜNCHEN · Glyphosat im Bier - da ist die Aufregung groß. Der Unkrautvernichter steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Die Brauer wehren sich gegen die Vorwürfe der Umweltschützer: Sie bezeichnen sie als "absurd".

 Mehrere deutsche Biere sind einer Untersuchung des Münchner Umweltinstituts zufolge mit Glyphosat belastet. Ob von dem Pestizid eine Gefahr für den Menschen ausgeht, ist jedoch umstritten.

Mehrere deutsche Biere sind einer Untersuchung des Münchner Umweltinstituts zufolge mit Glyphosat belastet. Ob von dem Pestizid eine Gefahr für den Menschen ausgeht, ist jedoch umstritten.

Foto: dpa

Der Deutsche Brauer-Bund hat die Studie des Münchner Umweltinstituts zu Glyphosat in Bier als nicht glaubwürdig bezeichnet. Der Vorwurf des Umweltinstitutes, die Brauereien würden ihre Rohstoffe nicht ausreichend kontrollieren, sei „absurd und völlig haltlos“, teilten die Brauer mit.

Das Institut hatte 14 der beliebtesten Biermarken Deutschlands testen lassen und dabei Spuren des Unkrautvernichters gefunden. Die Werte lagen zwischen 0,46 und 29,74 Mikrogramm (Millionstel Gramm) pro Liter und damit im extremsten Fall fast 300-fach über dem gesetzlichen Grenzwert für Trinkwasser von 0,1 Mikrogramm, wie das Umweltinstitut am Donnerstag mitteilte. Einen Grenzwert für Bier gibt es allerdings nicht.

Von den Brauereien heißt es, man betreibe einen hohen Aufwand, um die vier natürlichen Rohstoffe Wasser, Malz, Hopfen und Hefe, die nach dem Reinheitsgebot zum Brauen verwendet werden, auf mögliche Schadstoffe zu kontrollieren.

Den Kontrollen zufolge sei das eingesetzte Malz „ganz überwiegend frei“ von Glyphosat-Rückständen. Sofern es welche gebe, lägen sie um mehr als den Faktor 100 unterhalb der zulässigen Höchstgrenze von Gerste. Daneben gebe es staatliche Kontrollen. „Wie das Umweltinstitut in seiner Veröffentlichung selbst feststellt, finden sich Spuren von Glyphosat "inzwischen fast überall"“, schreibt der Brauer-Bund.

In wenigen Tagen Entscheidung auf europäischer Ebene

Experten diskutieren seit Jahren, ob das seit 1974 zugelassene Glyphosat möglicherweise krebserregend ist oder nicht. In wenigen Tagen soll auf europäischer Ebene über eine erneute Zulassung des Herbizids entschieden werden.

Die Fernsehköchin und überzeugte Bio-Aktivistin Sarah Wiener (53) hält einen Schutz vor Pestiziden in der Nahrung für nahezu unmöglich. „Ich lebe so gut wie möglich ökologisch und kaufe nur Bio-Lebensmittel. Selbst ich habe bei einem Test Glyphosat in meinem Urin festgestellt“, sagte Wiener.

„Wir können uns offensichtlich nicht mehr dagegen wehren. Es wird überall gespritzt, ob auf Bahndämmen, in privaten Gärtnereien oder in der Lebensmittelproduktion.“

Da nicht abschließend geklärt sei, ob Glyphosat krebserregend wirke, sei eine Belastung des Menschen „nicht wünschenswert“, sagte Marike Kolossa, Leiterin des Fachgebiets gesundheitsbezogene Umweltbeobachtung im Umweltbundesamt (Uba). Nach Uba-Angaben ließe sich die Menge eingesetzten Glyphosats durchaus etwas reduzieren - etwa mit mehr Fruchtfolge, Zwischenfruchtanbau und bodenschonender Unkrautbekämpfung mit Eggen.

Keine Gefahr für Verbraucher

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sieht derzeit keine Gefahr für Verbraucher. Glyphosat-Rückstände in Bier seien grundsätzlich erwartbar. Selbst die höchsten gemessenen Werte von rund 30 Mikrogramm pro Liter seien so niedrig, dass die Aufnahmemenge rein rechnerisch bei einem Erwachsenen mehr als 1000-fach niedriger liege als die derzeit als unbedenklich geltenden Mengen von 0,5 Milligramm (Tausendstel Gramm) pro Kilogramm Körpergewicht.

„Um gesundheitlich bedenkliche Mengen von Glyphosat aufzunehmen, müsste ein Erwachsener an einem Tag rund 1000 Liter Bier trinken“, teilte das BfR mit. Allerdings nehmen Menschen höchstwahrscheinlich zusätzlich mit vielen weiteren Lebensmitteln Glyphosat auf. Selbst bei einer „Worst-Case“-Aufnahme über verschiedene Nahrungsmittel sei vollkommen ausgeschlossen, dass die als unbedenklich geltende lebenslänglich oder einmalig duldbare Menge überschritten werde, sagte ein Sprecher dazu.

Über die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat sollen am 7. oder 8. März nationale Experten der 28 EU-Staaten entscheiden. Dabei will die Brüsseler EU-Kommission nach Informationen des Grünen-Europaabgeordneten Martin Häusling eine Verlängerung der Zulassung bis zum Jahr 2031 vorschlagen. „Die EU-Kommission hat offenbar nicht die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger im Blick“, kommentierte Häusling.

Parteien fordern strikte Regelungen

Die SPD forderte ein Verbot von Glyphosat für private Gärten, Spielplätze und öffentliche Grünflächen. Um den Glyphosat-Einsatz in der Landwirtschaft zu reduzieren, solle die Forschung für Alternativen verstärkt worden.

Ein Antrag der Grünen für einen Stopp der anstehenden Entscheidung über eine längere EU-Zulassung fürGlyphosat wurde am Donnerstag im Bundestag abgelehnt. Grünen-Experte Harald Ebner sagte, damit sei eine einmalige Chance leider nicht genutzt worden. Die Grünen-Politikerin Renate Künast nannte die Nachricht von Glyphosat im Bier „eine Katastrophe“ für die Verbraucher und für den Lebensmittelbereich. „Jetzt müssen die Bierbrauer handeln und sich für glyphosatfreie Rohstoffe stark machen.“

Die Unionsfraktion befürwortet eine Verlängerung der Zulassung. Keine deutsche Bewertungsbehörde habe sich für ein Verbot von Glyphosat ausgesprochen, erklärten die Fachpolitiker Katharina Landgraf und Hermann Färber. Für seine Anwendungsgebiete sei es der am besten untersuchte Wirkstoff mit den geringsten Nebenwirkungen.

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