Neue Lagerstätten In Tirol reift der Käse im Berg

Niederndorf/Tirol · Höhlenkäse liegt im Trend: Immer mehr Käsereien suchen sich alte Bunker, Stollen oder Naturhöhlen, um ihre Sorten dort reifen zu lassen. Manche lassen sogar gewaltige Keller in den Fels sprengen.

Neue Lagerstätten: In Tirol reift der Käse im Berg
Foto: Matthias Balk/dpa

Als die Bauarbeiten noch voll im Gange waren, sah es so aus, als würde hier ein Teilstück des Brennerbasistunnels in den Fels gesprengt. Doch in Wahrheit ging es in dem kleinen Tiroler Ort Niederndorf-Sebi an der deutsch-österreichischen Grenze bei Kufstein, nur um einen gigantischen Lagerkeller für ein recht profanes Produkt: Käse.

"Im Januar 2015 haben wir mit dem Bau angefangen", erinnert sich Reinhard Brunner, Käsemeister der Biomolkerei Plangger. "Eine Spezialfirma hat 20 Tonnen Dynamit gebraucht, um 60 000 Tonnen Gestein aus dem Berg zu sprengen." Und dies alles, damit der Käse im Naturklima im Inneren des Berges ein ganz besonderes Aroma bekommt.

Heute liegen Tausende von Käselaibe in dem gigantischen Gewölbe, ordentlich in Regalen übereinander geschichtet. "Hier ist Platz für 600 Tonnen Käse in neun verschiedenen Sorten", sagt Brunner. Das entspricht bei voller Auslastung etwa 50 000 Käselaiben.

Käsesorten lagern in Abteilen

Höhlenkäse beziehungsweise "höhlengereifter" Käse liegt schwer im Trend, wie Wilfried Karrer bestätigt. Er ist Produktionsleiter des "Käsebergwerks" von Almenland Stollenkäse im steirischen Passial nicht weit von Graz. Der "Franz-Leopold-Stollen", den man 2009 neben einem früheren Silberbergwerk in die Jahrmillionen alte Gesteinsmischung aus Grünschiefer, Quarzit und Feldspat schlug, ist nicht weniger beeindruckend als sein Pendant in Tirol. Für jede Käsesorte gibt es hier ein eigenes, unterirdisches Abteil: für Schnittkäse, Weichkäse und Hartkäse mit der in Rotwein gebadeten Premiummarke "Erzherzog Johann" oder dem "Capellaro", einem zartmilchigem Ziegenweichkäse.

Die Temperatur liegt tief im Berg bei konstant elf Grad, die Luftfeuchtigkeit erreicht 97 Prozent. "Das lässt sich künstlich einfach nicht machen", sagt Karrer. Als es noch keine Klimatisierung gab, waren die Käser gezwungen, sich kühle Keller oder natürliche Höhlen als Lagerräume zu suchen. Mit dem technischen Fortschritt geriet diese Art der Reifung in Vergessenheit.

Mit der Biowelle halten immer mehr Kunden nach besonderen Käsesorten Ausschau halten, besinnen sich die Käsereien auf die alten Traditionen. Dass das Konzept aufzugehen scheint, zeigen die langen Warteschlangen von Touristen bei Plangger an der Käsetheke. Das weltweit wohl bekannteste Beispiel eines Höhlenkäses ist der französische Roquefort. Echter Roquefort muss in den berühmten Kalkhöhlen des Bergmassivs Combalou bei Roquefort-sur-Soulzon lagern, bevor er das begehrte AOP-Siegel bekommen darf.

Ein deutsches Pendant kommt aus dem Sauerland

Auch der spanische Cabrales, ein halbfester Blauschimmelkäse, erhält sein Aroma durch einen längeren Aufenthalt unter Tage. Relativ neu dagegen ist der Schweizer Höhlen-Emmentaler, den die Firma Emmi erfolgreich unter dem Markennamen Kaltbach als Marke platzieren konnte. Er reift in Sandsteinhöhlen im Schweizer Mittelland nicht weit von Luzern und kostet deutlich mehr als die normalen.

In Deutschland gibt es etwa den "Atta-Käse" aus der gleichnamigen Höhle bei Attendorn im Sauerland, "Deutschlands größter Tropfsteinhöhle". Andernorts werden alte Bunker oder gleich ganze Festungen zu Käselagern umgebaut. So im französischen Jura, wo im Fort de Rousses an der französisch-schweizerischen Grenze bis zu 150 000 goldgelbe Comté-Laibe ihrer Vollendung entgegenreifen.

Natürlich habe der Höhlentrend auch einen Marketingaspekt, sagt Frank Schneider, Käseeinkäufer beim Münchner Feinkosthändler Dallmayr. "Wenn das Ausgangsmaterial schlecht ist, bringt auch die Höhle nichts." Trotzdem begrüßt der Käsefachmann die Rückbesinnung auf alte Traditionen der Käseherstellung, weil sie für ein neues Qualitätsbewusstsein stehe, einen geschärften Sinn für Nachhaltigkeit - und die Käsevielfalt bereichere.

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