Kabarettist Jürgen Becker im GA-Interview Verwandt nicht – aber quitt

BONN · Der Kabarettist Jürgen Becker beschäftigt sich in seinem neuen Programm mit der „Kulturgeschichte der Fortpflanzung“.

 Kabarettist Jürgen Becker

Kabarettist Jürgen Becker

Foto: Simin Kianmehr

GA: Bitten Sie in Ihrem neuen Programm zum Blick durchs Schlüsselloch?

Jürgen Becker: Ja. Denn wir werden ergründen: Was lehrt uns die Erotik über uns selbst?

GA: Ach, es geht also wortwörtlich ums Volksbegehren?

Becker: Richtig, birgt doch das Begehren enorm viel Sprengkraft.

GA: Warum hat uns das gerade noch gefehlt?

Becker: Weil seit Silvester Köln weltweit für zwei Begriffe steht: „Inkompetenz“ und „sexuelle Übergriffe“.

GA: Sie beginnen aber im Tierreich, oder?

Becker: Weil man hier beobachten kann, warum Sex das Thema Nummer 1 ist und wir uns so mächtig ins Zeug legen, uns duellieren, zum Affen machen und uns schick anziehen, nur um uns gleich wieder auszuziehen.

GA: Sie kommen aber immer wieder zum Menschen?

Becker: Na klar. Für uns Menschen ist das Thema seit Urzeiten mit Tretminen durchtrieben. Bereits aus der Antike ist folgendes Männergespräch überliefert: „Sag mal, wenn ich deine Frau schwängere, sind wir Zwei dann verwandt?“ Der andere grübelt kurz. „Verwandt nicht – aber quitt.“

GA: Oh, wie kommen wir jetzt zum Thema Scham?

Becker: Ganz einfach: Im Sex kommt das Tierhafte in uns zum Vorschein. Wir spüren, wir sind Tiere und werden es immer bleiben. Das beschämt uns, stehen wir doch über dem Tier, sind die Krone der Schöpfung. Beim Sex aber am allerwenigsten.

GA: Und wie kommen wir zu Ihrem Lieblingsthema Religion?

Becker: Zwangsläufig. Denn Platon hat gewarnt: „Sex ist Fleischeslust. Fleisch ist vergänglich. Die Idee aber lebt ewig.“ Dann haben die Christen aus der Idee Gott gemacht und den Sex verteufelt. Und gerade dadurch wurde er zu einer Riesensensation. Nicht nur für uns, auch für die Kirche selbst.

GA: Wie haben Sie recherchiert?

Becker: Ich fragte zwei gute Freunde, Dr. Martin Stankowski und Dr. Dietmar Jacobs: Habt Ihr noch Sex? Kennt Ihr das Wort noch? Habt ihr Lust, ein Buch darüber zu schreiben? Und damit begann die lustvollste Recherche meines Lebens – und die Erkenntnis: Sex und Religion haben dieselbe Intention.

GA: Wie um Himmels Willen das?

Becker: Beide wollen etwas schaffen, was bleibt. Sex ist der Blick in die Unendlichkeit und in den Sinn der Schöpfung.

GA: Warum arbeiten Sex und Religion aber gegeneinander?

Becker: Weil bereits Paulus mahnte: „Wir müssen die Geschlechtlichkeit überwinden. Eines Tages werden wir nicht mehr Mann und Frau sein, sondern beides in einem.“ Hätte Paulus auch nicht gedacht, dass das mal gelingt. Mit Conchita Wurst.

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