Fleur de Sel Der Schaum des Meeres

Sonne, Wind und Wasser sind die einzigen Zutaten. Mit Leidenschaft und Handwerk ernten Salzbauern so das begehrte Fleur de Sel.

 Eine interessante Note bekommen Karotten mit Orangensaft und Olivenöl beträufelt und mit Zucker und Fleur de Sel bestreut

Eine interessante Note bekommen Karotten mit Orangensaft und Olivenöl beträufelt und mit Zucker und Fleur de Sel bestreut

Foto: picture alliance / dpa-tmn

Bonn. Die berühmte Salzblume hat viele Namen: Fleur de Sel, Königin der Salze oder gar „Weißes Gold aus dem Meer“. So ein handgeschöpftes Meersalz erlesener Qualität muss es auch sein, wenn es um die Gourmetküche geht. Mit ordinärem Speisesalz geben sich Spitzenköche schon lange nicht mehr zufrieden. Auch viele Hobbyköche greifen heute zum Fleur de Sel. Natürlich nicht zum Salzen des Nudelwassers, dazu wäre es viel zu schade. Zwischen den Fingerspitzen über ein gelungenes Gericht gestreut, bringt es dessen Geschmack erst richtig raffiniert zur Geltung.

Arinaga auf Gran Canaria. Ein kleiner Ort im Südosten der Insel, ein einfaches Fischrestaurant an der Mole. Der leichte Wind trägt die Düfte des Meeres heran: Algen, Tang und ein Hauch von Jod. Geschickt tranchiert der Küchenchef den gegrillten Seehecht. Dann krönt er sein Werk mit einer kräftigen Prise Salz. „Espuma de Sal“ erklärt er dazu, „Meerschaum“ So nennen sie das Fleur de Sel auf den Kanarischen Inseln. Der Fisch ist ein Gedicht, perfekt gegrillt. Aber noch mehr begeistert das Salz: Unaufdringlich, mild im Geschmack, mit dezenten Aromen des Meeres – und vor allem mit einem unvergleichlichen Biss: Keine harten Kristalle, sondern zarteste Blättchen, die auf der Zunge knisternd zerfließen. Stolz zeigt der Maître auf das andere Ende der Bucht: „Dort drüben, in den Salinen von Arinaga, wird es von Hand geerntet“.

Da lohnt sich doch ein näherer Blick. Hinter einigen Erdhügeln fällt der Blick auf den Salzgarten: An die 300 quadratische Becken, dicht an dicht, jedes etwa vier mal sechs Meter groß und nur wenige Zentimeter tief. Getrennt durch schmale Dämme, gerade breit genug, dass ein Mensch auf ihnen entlang balancieren kann. Direkt dahinter die blaue Weite des Meers. Über mehr als 200 Meter erstreckt sich die Saline. Nur ihr südlicher Teil ist bewirtschaftet – und bietet ein faszinierendes Lichtspektakel. Das Wasser in den Becken schillert in verschiedenen Farben. An den Eckpunkten zwischen etlichen der Becken glitzern halbmeterhohe Kegel aus geerntetem Salz.

Mit Besuch hat der Salzbauer offenbar nicht gerechnet. Jetzt, im Winter, sei es zu kalt, erklärt er mürrisch. Salz werde hier nur im heißen Sommer geerntet. Espuma de Sal? Ja, das habe er vorrätig. In dem klapprigen Bretterverschlag lagern mehrere Haufen Salz. Vom kleinsten füllt der Salzbauer etwa ein Kilo in eine Plastiktüte. Für ein paar Euro wechselt es den Besitzer. Ja, das sind sie, die hauchdünnen Plättchen. Zartflockig und filigran, etwas feucht, zwischen den Fingern leicht zu zerreiben.

Meersalz wird an vielen klimatisch geeigneten Küsten der Welt geerntet, unter anderem in Afrika, Europa, Indien und Südamerika. Was Fleur de Sel angeht, ist die französische Atlantikküste rund um das Städtchen Guérande einer der wichtigsten Orte. Dort hat das wertvolle Salz seinen europäischen Ursprung. Schon vor 2000 Jahren wurde in Guérande Meersalz gewonnen. Das Vorgehen dabei ist fast überall gleich. Meerwasser wird in künstlich angelegte Seen oder in kleine, flache Becken geleitet. Dank der sommerlichen Hitze und dem Wind verdunstet es und der Salzgehalt steigt. Über mehrere Becken wird die zunehmend salzigere Brühe weiter geleitet. Je nach Konzentration leben spezifische Bakterien und Einzeller in der Lake und lassen sie in unterschiedlichen Farben leuchten. Im letzten Becken bilden sich Salzkristalle. Ihr größter Teil sinkt bald auf den Grund. Dort wird es mit traditionellen Rechen zusammengeschoben. Dieses vom tonigen Boden gräulich gefärbte Salz macht den größten Teil der Ernte aus.

Das wertvolle Fleur de Sel dagegen bildet sich nur bei extrem starker Sonne und niedriger Luftfeuchtigkeit. Durch die sehr schnelle Verdunstung wachsen unter diesen Bedingungen winzige Salzkristalle auf der Wasseroberfläche, viel kleiner und empfindlicher als das abgesunkene Grausalz. Der leichte Wind am späten Nachmittag schiebt die hauchdünne Schicht zu einer Kruste zusammen. Dies ist die Geburtsstunde des echten Fleur de Sel. Die Ernte erfolgt am Abend, bevor der auffrischende Wind die Kristalle wieder absinken lässt. Im Zeitlupentempo, mit äußerster Vorsicht, schöpfen die Salzbauern die begehrten Kristalle von der Oberfläche, mit rechteckigen Sieben, die an langen Stangen befestigt sind. Anschließend wird die Salzblume in der Sonne getrocknet.

Das war’s. Keine Zusätze, keine Reinigung, keine weitere Verarbeitung. Echtes Fleur de Sel ist ein reines Naturprodukt, ohne jeglichen Einsatz von Maschinen gewonnen. Sonne, Wind, die Tiden des Meers und ein exaktes Timing der Ernte entscheiden über den Erfolg. Geformt von der Natur, geschöpft in penibler Handarbeit – das ist das Geheimnis der einzigartigen Struktur des Fleur de Sel.

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