Der Lebensmittelhandel entdeckt die Vegetarier

Düsseldorf · Immer mehr Deutsche verlieren die Lust am Fleisch. Der Einzelhandel reagiert: Soja-Schnitzel und vegane Bolognese haben Einzug in die Supermärkte gehalten. Ausgerechnet ein Discounter übernimmt dabei eine Vorreiterrolle.

 Alsi Süd folgt dem veganen Trend. Foto: obs/Unternehmensgruppe Aldi Süd

Alsi Süd folgt dem veganen Trend. Foto: obs/Unternehmensgruppe Aldi Süd

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Der deutsche Lebensmittelhandel entdeckt die Vegetarier als attraktive Zielgruppe. Waren Soja-Schnitzel, Wurstaufschnitt ohne Fleisch und veganes Fruchtgummi lange Zeit vor allem in Naturkostläden zu finden, so haben sie sich inzwischen zumindest einen kleinen Platz in den Regalen und Tiefkühltruhen "normaler" Supermärkte erobert. Und das Werben der Händler um Vegetarier, Flexitarier (Wenig-Fleisch-Esser) und Veganer dürfte in Zukunft noch zunehmen.

Eine Vorreiterrolle übernimmt dabei zurzeit der Discounter Aldi Süd. Er kündigte kürzlich an, künftig das vom Vegetarierbund Deutschland vergebene V-Label zur Kennzeichnung fleischloser Produkte einzuführen und so Vegetariern und Veganern auf den ersten Blick eine Orientierungshilfe beim Einkauf zu geben.

Im ersten Schritt umfasst das Angebot zwar nur 18 Produkte vom "Bio Veggie-Wienerle" bis zum Fruchtgummi-Mix "Veggiemaus". Doch sollen weitere Produkte aus den Bereichen Tiefkühlung, Fertiggerichte, Feinkost und Backwaren in den kommenden Monaten folgen.

Für Stephanie Stragies vom Vegetarierbund Deutschland (Vebu) ist die Aktion des Discounters "fast schon eine Grundsatzentscheidung". Sie ist überzeugt: "Wenn Aldi jetzt anfängt, ziehen die anderen großen Lebensmittelhändler bald nach." Es gehe darum, das Einkaufen für Veggies einfacher zu machen, so dass sie etwa bei Fertigprodukten nicht mehr die ganzen Zutatenlisten lesen müssten, sondern einfach zugreifen könnten.

Auch Christian Böttcher vom Bundesverband des deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) sieht vegetarische Produkte im Aufwind: "Das Thema ist in aller Munde. Es wird hier sicher Wachstum geben." Bereits in den vergangenen Jahren stieg die Nachfrage nach vegetarischen Produkten kräftig, während die Umsätze im Lebensmittelhandel insgesamt stagnierten.

Das ist dem Handel nicht entgangen. "Uns ist bewusst, dass sich immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland vegetarisch oder vegan ernähren möchten", heißt es etwa bei Aldi Nord. Deshalb gebe es inzwischen eine ganze Reihe vegetarischer Lebensmittel im Standard-Sortiment - vom Tofu-Würstchen bis zum Veggie-Burger.

Konkurrent Penny hat seit Mitte April Gemüseschnitzel, vegetarische Nuggets und vegane Burger-Patties testweise im Angebot. Edeka bietet vegane Bolognese, Mini-Frikadellen und Schnitzel unter der Eigenmarke Edeka Bio an. Und auch Markenartikler haben die Attraktivität der Zielgruppe erkannt: So wirbt der Tiefkühlkost-Hersteller Frosta mit dem V-Label für seine veganen und vegetarischen Produkte. Der Süßwarenhersteller Katjes hat vegetarische Fruchtgummis im Angebot.

Dabei ist nicht einmal ganz klar, wie viele Fleischverächter es in Deutschland überhaupt gibt. Der Vebu geht von rund 7 Millionen Vegetariern und 1,2 Millionen Veganern aus. Das entspräche rund zehn Prozent der Bevölkerung. Eine repräsentative Studie der Universitäten Göttingen und Hohenheim kam dagegen im vergangenen Jahr zu deutlich niedrigeren Zahlen. Demnach ernähren sich mittlerweile etwa 3,7 Prozent der Deutschen fleischlos. Doch auch das ist der Studie zufolge immerhin eine Verdopplung gegenüber dem Jahr 2006.

Mit 11,6 Prozent deutlich größer ist demnach die Gruppe der Gelegenheitsvegetarier oder Flexitarier. Und weitere 9,5 Prozent der Befragten sagten, sie wollten künftig weniger Fleisch essen. Die Nachfrage nach vegetarischer Kost dürfte also weiter steigen.

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