Unwetter in Bonn und Region Welche Versicherung hilft?

Rhein-Sieg-Kreis · Viele Unwettergeschädigte in der Region bekommen ihren Schaden nicht ersetzt, weil der Versicherungsschutz unzureichend ist. Eine Elementarschadenversicherung kann helfen.

 Unwetter Juni 2016 über Wachtberg: in Niederbachem müssen viele Hausbesitzer an der Mehlemer Straße Schlammschieben

Unwetter Juni 2016 über Wachtberg: in Niederbachem müssen viele Hausbesitzer an der Mehlemer Straße Schlammschieben

Foto: Axel Vogel

Andreas Kreutz, der in einem gepflegten Einfamilienhaus in Wachtberg-Villip wohnt, ist konsterniert. Da hat er nun all seine Versicherungen inklusive der Hausrat- und der Gebäudeversicherung bei einem namhaften Konzern abgeschlossen, und nun das. Kreutz gehörte zu einer Reihe Villiper Hausbesitzer, die in der Straße Im Bruch wohnen, und denen das Wasser am 4. Juni erstmals bis fast unter die Decke stand. Aber nach Lage der Dinge bleibt Andreas Kreutz auf geschätzten 20 000 Euro Schaden sitzen. Seine Versicherung zahlt nicht, weil er für dieses Schadensereignis keine entsprechende Versicherung besaß: Eine Elementarschadenversicherung ist nämlich das A und O, sagen Versicherungsfachleute.

Und die haben auch viele andere Betroffene wie etwa Günter Masurek aus Wachtberg-Fritzdorf nicht abgeschlossen. Masurek war bereits drei Mal in sechs Jahren von Starkregen betroffen, am 4. Juni stand die braune Brühe 1,50 Mehr hoch in seinem Wohnkeller. Schaden: ebenfalls rund 20 000 Euro. Masureks Befürchtung ist aber: Eine Elementarschadenversicherung wird wohl mit Blick auf seine Vorgeschichte zu teuer. Doch Fachleute raten zur Differenzierung.

Der Schaden sei „nicht von innen etwa durch einen Rohrbruch entstanden“, zitiert Andreas Kreutz die Argumentation seines Versicherers. Auch auf den Schäden an seinem Haus bleibt Kreutz sitzen, weil seine Gebäudeversicherung „nur bei Blitz und Hagel“ eintrete. Eine zusätzliche Elementarschadenversicherung hatte er 1987, als das Haus gebaut wurde, nicht abgeschlossen. Da er 30 Jahre auch kein beunruhigendes Unwetter erlebt hatte, verlor Kreutz das Thema aus den Augen.

Hilfs- und Spendenaktion für Unwetteropfer in Wachtberg
19 Bilder

Hilfs- und Spendenaktion für Unwetteropfer in Wachtberg

19 Bilder

„Die klassische Wohngebäude- oder Hausratversicherung reicht in solchen Unwetterfällen nicht aus, um Immobilienbesitzer vor Elementargefahren zu schützen“, bestätigt Petra Schindler, Produktmanagerin Sachversicherungen beim Gothaer Konzern in Köln. So umfasse die Gebäudeversicherung klassischerweise Gefahren wie Sturm, Hagel und Feuer. Eine Hausratversicherung komme üblicherweise in solchen Fällen auf, wo es um Leitungsschäden etwa nach einem Rohrbruch gehe, so Petra Schindler weiter.

Wer sich aber gegen diese Elementargefahren wie Überschwemmung und Starkregen versichern will, braucht laut Gabriele Scheidt, eine der Sprecherinnen der Provinzial Rheinland Versicherung in Düsseldorf, auch eine entsprechende Elementarschadenversicherung: „Diese wird als Erweiterung der Wohngebäudeversicherung und der Hausratversicherung als Paket oder in Bausteinen angeboten.“ Dabei sei laut Scheidt aber häufig das Problem, dass nur das Gebäude gegen Naturgefahren versichert sei, nicht aber der Inhalt gegen Elementargefahren hier speziell Starkregen. Ebenfalls von einer Elementarschadenversicherung abgedeckt wird laut Gothaer-Expertin Petra Schindler der Kanalrückstau.

Auch ist bei Betroffenen immer wieder zu hören: Weil sie in Risikozonen wohnen, bekommen sie grundsätzlich keine Elementarschadenversicherung mehr. Doch das bestreitet Provinzial-Sprecherin Scheidt. „Für Hochwasser gilt die aus den Unterlagen des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GdV) bekannte ZÜRS-Zonierung“. Dabei helfe das Geoinformationssystem ZÜRS („Zonierung, Überschwemmung, Rückstau, Starkregen“) der Versicherer, das Risiko von Naturgefahren für jeden Standort in Deutschland einzuschätzen.

Mittlerweile sei die Qualität der Daten so gut, dass fast jedes Gebäude gegen Naturgefahren versichert werden könne: „Über 99 Prozent aller privaten Gebäude im Geschäftsgebiet der Provinzial Rheinland sind versicherbar“, erklärt Martin Creutz, Bereichsleiter bei der Provinzial für „Privatkunden Wohnen“.

Gleiches sagt Kollegin Petra Schindler vom Gothaer Konzern: „Wenn jemand in einer unwettergefährdeten Zone lebt, heißt das nicht automatisch, dass er keine Versicherung bekommt, es wird dann aber deutlich teurer.“ Und natürlich könne ein Versicherungsschutz auch davon abhängen, ob der Kunde selber bereit sei, Unwettervorsorge zu betreiben, so Schindler: „Dafür gibt es ganz viele Möglichkeiten wie Dammbalkensysteme vor Gebäudeöffnungen.“

Und welchen maximalen Versicherungsschutz kann man überhaupt bekommen? „Bei uns hat der Kunde die Wahl, die Elementarversicherung in Bausteinen abzuschließen“, sagt Provinzial-Pressefrau Scheidt. So gebe es die Bausteine StarkregenPlus, Hochwasser und Erdbeben. „Wir sind einer der wenigen Anbieter, die in Wohngebäude und Hausrat dem Kunden diese Wahlmöglichkeiten anbieten wie auch das ganze Paket.“

Scheidt rechnet das an einem Beispiel vor: Für ein Einfamilienhaus mit einem Wert von 250 000 Euro wären je nach Zone rund 300 Euro Jahresprämie für eine Komplettdeckung mit Feuer, Leitungswasser und Sturm/Hagel zu veranschlagen, so Scheidt „Für ein solches Gebäude würde ein Elementarversicherungsschutz zwischen 40 und 80 Euro zusätzlich pro Jahr kosten.

Auch fehlt es aus Sicht von GdV-Sprecherin Kathrin Jarosch keinesfalls an Möglichkeiten: „Rund 130 Versicherungen bieten eine Elementarschadenversicherung an.“ Ein Test der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz habe zudem Erstaunliches ergeben: 30 Versicherer wurden angeschrieben, um ein Haus in einer Risikozone zu versichern, das zudem noch einen Vorschaden hatte. Etwa 20 Versicherungen haben sich laut Jarosch gemeldet „und sogar nicht immer zwingend einen Aufschlag verlangt“.

Dass viele Hausbesitzer ungeachtet des Wertes ihres Eigenheims immer noch glauben, „mich betrifft das Unwetterrisiko nicht“, belegt aus Sicht des GdV ein Blick auf die Statistik: In NRW haben laut Jarosch nur 36 Prozent der Immobilienbesitzer eine Elementarschadenversicherung, damit liegt das Bundesland noch drei Prozent unter dem Bundesdurchschnitt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort