Experten beraten Schutzmaßnahmen bei Unwetter Mit mehr Natur gegen Hochwasser

BONN · Eine Expertenrunde macht sich nach den verheerenden Unwetterschäden des vergangenen Jahres Gedanken über Schutzmaßnahmen.

 2016: Nach dem Unwetter heißt es auch in Pech aufräumen, was viele aber mit viel Gemeinsinn und erstaunlich postiv gestimmt angehen; vor allem die Bewohner des Mehrfamilienhauses an der Pecher Straße 2L Hauptstrraße Hausnummer; auch wenn Berge von Hausrat und Elektrogeräten nur noch Spermüll sind, hat Horst Poell seine gute Laune nicht verloren

2016: Nach dem Unwetter heißt es auch in Pech aufräumen, was viele aber mit viel Gemeinsinn und erstaunlich postiv gestimmt angehen; vor allem die Bewohner des Mehrfamilienhauses an der Pecher Straße 2L Hauptstrraße Hausnummer; auch wenn Berge von Hausrat und Elektrogeräten nur noch Spermüll sind, hat Horst Poell seine gute Laune nicht verloren

Foto: Axel Vogel

Die katastrophalen Bilder aus dem vergangenen Frühling sind vielen Hausbesitzern aus Wachtberg, Bad Godesberg und dem Kreis Ahrweiler noch vor Augen: Starkregen hatte am 4. Juni kleine Bäche in reißenden Gewässer verwandelt, die bislang wohl beispiellose Schäden anrichteten. Was können Städte und Gemeinden, aber auch Otto-Normalverbraucher aus solchen Unwettern lernen und wie sich schützen? Genau das war eine der zentralen Fragen, mit der sich unlängst eine hochkarätig besetzte Expertenrunde in Bonn beschäftigte: „Stark genug für Starkregen? – Überflutungsvorsorge in der Region“ lautete der Titel der Diskussion anlässlich des 4. Deichmanns Auer Gesprächs. Veranstalter war das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Die Botschaft der Runde lautete: Viele Akteure sind gefordert.

Verheerende Unwetter hatten im Frühjahr 2016 in vielen Teilen Deutschlands gewütet. Auch in der Region gab es Bilder überfluteter Straßen und Häuser zu sehen. So in Wachtberg, wo angeschwollene Bäche Ortsteile regelrecht geflutet hatten. Die Schäden sind längst noch nicht alle behoben. So berichtete der dortige Beigeordnete Jörg Ostermann über den Sanierungsstand in seiner Gemeinde, die 2016 das dritte schwere Unwetter seit 2010 getroffen hatte. Im Ländchen waren allein fünf Brücken beziehungsweise Durchlässe zerstört worden. Erst ein Durchlass, der auf der L 123 bei Arzdorf, konnte von Straßen NRW erneuert werden. Laut Ostermann plane die Gemeinde für 2017 den Neubau von zwei Brücken in Pech, die dann auch für entsprechende Hochwasserereignisse ausgelegt werden sollen.

Denn auch wenn Fachleute bei starken Unwettern in den vergangenen Jahren Begrifflichkeiten wie „hundertjähriges Ereignis“ bemühten, macht es wohl Sinn, zukünftig mit solchen Naturkatastrophen leben zu lernen. Dass betonte auch Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes, in seinem Impulsvortrag: Unwetterlagen wie im Frühjahr 2016 dürften laut Becker nämlich künftig häufiger vorkommen. Dies legten Klimasimulationen nahe. Die Vorhersage solcher Wetterphänomene habe sich in den vergangenen Jahren zwar stark verbessert. Dennoch schränkte Becker ein: „Wir werden besser, aber unsere Vorhersage hat Grenzen.“

Auch dieser Punkt kristallisierte sich in der Expertenrunde heraus: Ein wichtiger Teil der Überflutungsvorsorge ist Risikokommunikation. Dabei spielen so genannte Starkregengefahrenkarten eine wichtige Rolle. Otto Schaaf, Leiter der Stadtentwässerungsbetriebe Köln, verwies auf den großen Nutzen solcher Karten, um Anwohner über mögliche Gefahren zu informieren. Diese veranschaulichen, welche Stadtgebiete bei einem Starkregenereignis potenziell überflutet werden können. Solche Karten seien laut Schaaf aber noch keineswegs flächendeckend verbreitet.

Nachholbedarf in dieser Hinsicht, gerade nach den Überflutungen am 4. Juni in Wachtberg, hat der dortige Beigeordnete Jörg Ostermann ausgemacht. Speziell mit Blick auf die Ortschaft Pech, wo der zum Strom mutierte Godesberger Bach gleich zwei Brücken weggerissen hatte, sagt Ostermann: „Es macht keinen Sinn, hier allein zwei Brücken neu zu bauen und für zukünftige Hochwasserereignisse auszulegen, ohne auch den übrige Gewässerverlauf in den Blick zu nehmen.“ Auch der müsse für die Wassermassen ausgelegt sein. Bei der Suche nach Gefahrenpunkten soll nun laut Jörg Ostermann eine Hochwassergefahrenkarte vom Godesberger Bach helfen, die die Bezirksregierung Köln nach dem Unwetter am 4. Juni in Auftrag geben hatte.

Aus Sicht des Kölner Experten Otto Schaaf seien die Kommunen gefragt, durch eine gute Informationspolitik das Thema in den Köpfen der Bevölkerung wach zu halten. „Wir müssen kontinuierlich gegen die Hochwasserdemenz ankämpfen“, sagte Schaaf. Umso mehr, als Stadtentwässerung und Stadtentwicklung mit einer „wassersensiblen Stadtentwicklung“ zwar Schäden durch Starkregen vermindern, aber nicht verhindern können. Darauf wies Daniel Koch hin, der als Planer im Tiefbauamt Bonn arbeitet: Kanalnetze seien auf besonders große Regenmengen in kurzer Zeit nicht ausgerichtet, erklärte er. Auch Böden seien irgendwann mit Wasser gesättigt.

Daher dürften private Hauseigentümer „sich nicht allein auf die öffentliche Hand verlassen“, bekräftigte BBSR-Direktor Herrmann. „Jeder einzelne kann seine Immobilie schützen, beispielsweise durch hochwasserbeständige Baustoffe, Rückstauklappen und starkregenabhaltende Baukonstruktionen“, führte Herrmann aus. „Städte, die gegenüber Witterungs- und Klimarisiken widerstandsfähig sind, erhalten wir nur, wenn öffentliche und private Vorsorge Hand in Hand gehen.“ Herrmann verwies auf die Hochwasserschutzfibel, die Planern und Hausbesitzern Hinweise für bauliche Vorsorge bietet.

Unterm Strich sind aus Sicht von Christoph Unger, Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, viele Akteure gefragt. Unger betonte, dass sich jeder einzelne besser auf solche Situationen einstellen müsse. Aufgabe des Bevölkerungsschutzes sei es auch, solche Risiken zu vermitteln und Verhaltenshinweise für den Katastrophenfall zu bieten.

Kommunen und Siedlungswasserwirtschaft haben zahlreiche Möglichkeiten, durch infrastrukturbezogene Maßnahmen die Überflutungsvorsorge zu verbessern. Stadtplaner sollten mehr Flächen ausweisen, die im Notfall überflutet werden können, ohne dass große Schäden entstehen, sagte Harald Herrmann. „Eine wassersensible Stadtentwicklung setzt vor allem auf Grünanlagen und Rückhalteräume. Wie ein Schwamm saugen unversiegelte Böden Starkregen auf.“ Bei der Planung vieler Neubausiedlungen werde diese Form der Überflutungsvorsorge bereits mitgedacht.

Ähnliches führte auch Susanne Hempen, Expertin im Bundesumwelt- und Bauministerium, aus: „Viele Maßnahmen für mehr Grün in der Stadt verbessern das Stadtklima und werten das Wohnumfeld auf“, Die Anpassung an die Folgen des Klimawandels sei aber genauso wichtig wie Klimaschutz. Daher fördere der Bund Anpassungsprojekte in Kommunen.

Ungeachtet aller Vorsorge warnt Wachtbergs Beigeordnete Ostermann mit Blick auf die vergangene Flutwelle im Ländchen: „Es wird keine absolute Sicherheit geben.“

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