Hospizdienst Königswinter "Geh mutig weiter, ich bleibe an deiner Seite"

Königswinter · Der ökumenische Hospizdienst Königswinter steht schwerstkranken Menschen und deren Familien in einer ganz besonderen Lebensphase zur Seite. Eine Betroffene, ihre Begleiterin, ihre Tochter und die Koordinatorin berichten in sehr persönlichen Tagebüchern über die Arbeit.

 Starkes Team: die Begleiterinnen des Hospizdienstes Königswinter.

Starkes Team: die Begleiterinnen des Hospizdienstes Königswinter.

Foto: Frank Homann

Anna S. (Name geändert) ist völlig verzweifelt. Wegen massiver Durchblutungsstörungen musste bereits ein Bein amputiert werden. Daraus resultieren Folgeerkrankungen. Die Frau ist schwer herzkrank und hat bereits mehrere Bypass-Operationen hinter sich. Als die Ärzte ihr dann mitteilen, dass auch ihr zweites Bein amputiert werden soll, denkt sie an Selbstmord. Sie weiß nicht mehr ein noch aus. Trotz des Morphiums hat sie unerträgliche Schmerzen. In dieser Situation gibt ihr jemand den Tipp, sich an den ökumenischen Hospizdienst Königswinter "Ölberg" zu wenden, von dem sie bis dahin noch nichts gehört hat.

Nach einem Erstbesuch durch die Koordinatorin Rita Schmitz erhält sie seitdem einmal in der Woche Besuch von einer Hospizbegleiterin. Elke G. (Name geändert) liest ihr vor, weil Frau S. Bücher liebt, das Lesen sie selber jedoch zu sehr ermüdet. Doch schon bald merkt sie, dass die Zeit, die ihre Begleiterin damit verbringt, ihr vorzulesen, dafür eigentlich viel zu schade ist. Die Besucherin ist längst eine viel zu wichtige Gesprächspartnerin geworden, mit der sie dringende Dinge bereden und klären kann.

Mit Unterstützung der Koordinatorin, ihrer Hausärztin, ihrer Begleiterin und ihrer Tochter erreicht Anna S. die rasche Aufnahme auf die Palliativstation der Robert-Janker-Klinik in Bonn. Auch hier erhält sie regelmäßigen Besuch von ihrer Begleiterin. Von der Palliativstation kommt sie dann in das stationäre Hospiz in Lohmar-Deesem. Sie wollte zu Hause sterben, doch die Schmerzen sind stärker als dieser Wunsch. Auch im Hospiz besucht sie ihre Begleiterin.

"Meiner verbleibenden Lebenszeit sehe ich gefasst entgegen - ganz gefasst. Ich bin dankbar für all die vielen Menschen, die mir hilfreich zur Seite stehen", sagt Anna S. inzwischen. Sie denkt nicht mehr daran, sich das Leben zu nehmen. "Ich habe keine Zweifel mehr, dass dieser Weg der richtige für mich ist. Das ist für mich eine große Erleichterung", sagt sie.

Das Schicksal von Anna S. ist auf seine Weise einzigartig und doch eines von vielen, um die sich der Hospizdienst kümmert. Im Jahr 2011 hat der Verein mit seinen 40 ehrenamtlichen Begleitern 54 Familien mit einem schwerstkranken Menschen zur Seite gestanden. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen. "Geh mutig weiter, ich bleibe an deiner Seite" lautet so auch das Motto des Flyers, mit dem der Verein auf seine Arbeit hinweist und um Mitarbeiter, Mitglieder und Spenden wirbt.

Oft wünschen sich die Vorstandsmitglieder Irene Feldhaus und John Peter, dass die Betroffenen oder Angehörigen früher zu ihnen kämen und es nicht nur um eine reine Sterbebegleitung ginge. "Es ist oft erschreckend, wie spät wir gerufen werden und wie kurz die Begleitung dann ist", sagt die Vorsitzende Feldhaus. Für sie ist die Begleitung, die schon mal ein bis zwei Jahre, häufig aber auch nur wenige Wochen dauert, eine "Lebensbegleitung in einer besonderen Phase". Dazu gehöre die wichtige Erkenntnis, dass das Sterben Teil unseres Lebens ist. Eine Patientin habe ihr einmal gesagt, sie wolle sich der Krankheit nicht mehr als notwendig zuwenden und stattdessen den Fokus lieber auf das Leben, das ihr noch bleibe, richten.

"Die Begleitung sollte nicht immer kurz vor dem Tod beginnen. Sie braucht Zeit, um sich ausleben zu können. Es handelt sich dabei doch um eine sehr emotionale Situation", sagt John Peter. Er ist im Übrigen einer von nur zwei männlichen Begleitern im Hospizdienst. Die auch psychisch anstrengende Tätigkeit scheint sich das "schwache Geschlecht" eher zuzutrauen.

Wenn es so etwas wie ein "Kerngeschäft" des Vereins gibt, ist es die Begleitung der Sterbenskranken in deren Zuhause. Diese Umgebung für ihre letzten Stunden wünschen sich laut Umfragen 98 Prozent aller Bundesbürger, doch nur für 30 Prozent geht dieser Wunsch tatsächlich in Erfüllung.

Der Hospizdienst fühlt sich aber auch den anderen Menschen gegenüber verpflichtet. Dabei sieht man die Einrichtung eines stationären Hospizes im Siebengebirge für die Städte Königswinter und Bad Honnef und für Teile des nördlichen Kreises Neuwied inzwischen als unrealistisches Ziel an. "Damit die Krankenkassen acht Betten als förderungswürdig anerkennen, müssten in diesem Bereich nach dem gängigen Schlüssel 200.000 Menschen leben", sagt Peter, der sich im Verein um die Finanzen kümmert. Königswinter und Bad Honnef kommen zusammen aber nur auf rund 65.000 Einwohner. "Damit wären wir Ehrenamtlichen auch überfordert", so Feldhaus.

Stattdessen bemüht sich der Hospizdienst um Betten für sterbende Menschen in vorhandenen Einrichtungen wie Altenheimen. "Das Altenheim ist in der Regel das letzte irdische Zuhause. Die Menschen gehen viel später dorthin als früher, so dass die Verweildauer immer kürzer wird. Die palliative Versorgung sollte dort zur Standardversorgung werden", sagt Feldhaus.

Bereits in der Vergangenheit wurde der Hospizdienst gelegentlich von Altenheimen gerufen. Seit Herbst 2011 kooperiert der Verein mit dem Altenheim Haus Katharina in Königswinter in einem Modellversuch. Eine Begleiterin ist einmal in der Woche in der Einrichtung, deren Träger die CURA Katholische Einrichtungen im Siebengebirge gGmbH sind, zu Gast. Sie hält engen Kontakt zum Sozialdienst des Altenheims, der den oft schleichenden Prozess von Erkrankungen am besten einschätzen kann.

Im Oktober wird der Modellversuch abgeschlossen. Anschließend soll entschieden werden, inwieweit die Zusammenarbeit auch mit anderen Altenheimen in der Stadt verbessert werden kann. Klar ist auch, dass der Hospizdienst über eine Aufstockung seiner ehrenamtlichen Begleiter nachdenken muss, wenn diese vermehrt auch in die Altenheime zum Einsatz kommen sollten. Nach einer Begleitung brauchen die Ehrenamtlichen in den meisten Fällen schließlich erst mal eine Auszeit, um sich auf den nächsten Sterbenskranken einzustellen. "Unsere Ehrenamtlichen werden nicht alleine gelassen", sagt John Peter.

Dazu gehören der enge Kontakt und die ständige Möglichkeit zur Rücksprache mit der hauptberuflichen Koordinatorin Rita Schmitz, die regelmäßigen monatlichen Mitarbeitergespräche im Rahmen der Praxistreffen und eine regelmäßige Supervision, die den Begleiterinnen hilft, mit schwierigen Situationen umzugehen und keine psychischen Belastungen mit nach Hause zu nehmen.

Die Begleitung durch den ökumenischen Hospizdienst Königswinter geht auch über den Tod hinaus. Sieben Ehrenamtliche haben sich bisher zum Trauerbegleiter ausbilden lassen. Auch sie stehen Angehörigen in einer Notsituation zur Seite.

Der Verein
Den ambulanten Hospizdienst Königswinter "Ölberg" gibt es seit fünfeinhalb Jahren. Er hat 255 Mitglieder, 40 Begleiter für Schwerstkranke und ihre Angehörigen und sieben Trauerbegleiter.
Der Verein stellt sich am 2. September nach dem Gottesdienst in der Emmauskirche in Heisterbacherrott bei einem Tag der offenen Tür vor.

Der Hospizdienst hat sein Büro in Heisterbacherrott, Dollendorfer Straße 397. Die Koordinatorin ist Rita Schmitz, Tel. (02244) 87 74 73 (rund um die Uhr erreichbar); www.hospizdienst-koenigswinter.de

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