Theaterbesuch statt Training

BAD GODESBERG · Fußball und Schauspielerei ist eine Kombination, die selten gern gesehen wird. Im Strafraum zum Beispiel. In den Kammerspielen gilt dieses Tabu nicht zwingend. Ein gutes Dutzend männlicher Besucher bereichert an diesem Abend in blau-roten Trikots die Besucherschar der Kammerspiele.

 Mannschaftsbild vor einem Fußballtor: Diesen Eindruck vermittelt jedenfalls die Kulisse der Kammerspiel-Bühne.

Mannschaftsbild vor einem Fußballtor: Diesen Eindruck vermittelt jedenfalls die Kulisse der Kammerspiel-Bühne.

Foto: Volker Lannert

Es ist die U-17-Bundesligamannschaft des Bonner SC, die sich auf Einladung der Freunde der Kammerspiele nach Bad Godesberg aufgemacht hat. Arthur Miller steht auf dem Spielplan, der "Tod eines Handlungsreisenden".

Wenn man nun ausgerechnet für einen Abend Theaterkarten spendiert bekommt, an dem der Fußballklassiker Deutschland gegen Holland direkt im Fernsehen übertragen wird, dann kann das bei einem 16-Jährigen durchaus gemischte Gefühle auslösen. Der BSC-Nachwuchs trägt es mit Fassung: "Es ist mal 'was anderes, ich lasse mich gern überraschen", sagt Markus Wipperfürth.

Alltäglich ist so etwas für ihn und seine Mitspieler nicht, und zwar weniger wegen ihres zeitraubenden Hobbys als wegen der enormen Entfernungen: "Manche von uns wohnen in Köln, andere in Koblenz, andere in der Nähe von Aachen, da sind gemeinsame Freizeitaktivitäten kaum möglich", berichten die Mitspieler Eyüp Kocoglu und Gent Kovaci. Hinzu kommt, dass die Truppe gewöhnlich ohnehin an fünf bis sechs Abenden der Woche auf dem Fußballplatz steht.

Dort gibt dann Cheftrainer Idris Dogan den Ton an, und auch beim Theaterbesuch hat der Coach das Kommando. Im Vorfeld hat er Kopien mit dem Inhalt des Stückes an seine Schützlinge verteilt, damit sie wissen, worum es in dem Stück geht. Gemeinsame Aktivitäten außerhalb des Fußballplatzes stärken ganz nebenbei auch den Mannschaftsgeist, deshalb habe ich mich über die Einladung gefreut", sagt Idris Dogan.

Apropos BSC: "Aufbruch statt Untergang" lautete im vergangenen Jahr die Parole in dem Verein, der im Angesicht überbordender Verbindlichkeiten in den Abgrund blickte, und der mit viel ehrenamtlichem Engagement letztlich doch am Leben erhalten wurde.

Gar nicht zufällig ziehen hier die Freunde der Kammerspiele Parallelen: "Bonner Bürger haben sich für den Erhalt von Bonns traditionsreichstem Fußballverein eingesetzt", sagt Angela Biller von den Kammerspiel-Freunden, die mit dem Vorsitzenden Kurt Tudyka die jungen Sportler am Entrée begrüßt. "Wäre dies nicht gelungen, wäre Bonn nun um eine sportliche Attraktion, aber auch um ein wichtiges Stück Sozialarbeit im Bonner Norden ärmer", sagt Biller und ergänzt: "In ganz ähnlicher Weise engagieren sich Bürger seit fünf Jahren für den Erhalt der Kammerspiele."

Kein Zufall angesichts so vieler Parallelen, dass die Einladung an die Jugendfußballer der Vizepräsident des BSC, Udo Bielke, vermittelt hatte, der auch Mitglied der Freunde der Kammerspiele ist. Sparzwang, mittelprächtige Trainingsbedingungen, von namhafter Konkurrenz umgeben und somit auf schwerem Stand - auch das verbindet nach Ansicht der Initiatoren der Einladung den Sportclub mit dem Schauspielhaus in Bad Godesberg. Gleichzeitig aber sind da auch jede Menge Idealismus, Einsatzwillen und Tatkraft - und die Überzeugung, dass sich der Kampf für traditionelle Institutionen lohnt.

Das Kammerspiele-Programm für den heutigen Freitag ist da gewiss nur Zufall: "Die Wahrheit ist, dass mir auf Erden nicht zu helfen war", lautet der Titel für die Kleist-Literaturnacht. Für die BSC-U-17 geht es am Wochenende zum MSV Duisburg. Und Holland muss weiter warten.

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